die zeitmaschine

Das Valle Gran Rey  ist wie immer seiner Zeit voraus. Während überall sonst auf der Welt noch immer eine glorreiche Zukunft beschworen wird, setzt unser Dorf  bereits jetzt auf den Gegentrend und rast im Eiltempo in die Vergangenheit. Das Motto des Karnevals 2012 „Zurück in die 80er!“ wird hier gelebt!

Die Jecken machen keine halben Sachen - Entschleunigung als Gegenentwurf zur hochgezüchteten Mobilität : Zum 1. Februar wird die Fährverbindung zwischen San Sebastian und Valle Gran Rey eingestellt. Künftig kann, nein: muss man sich also wieder im Bus von der beeindruckenden Landschaft zwischen Arure und Chipude verzaubern lassen, jede Kurve genießend – und hoffend, dass keine Baustelle dafür sorgt, dass man die Fähre zum Flieger verpasst.

Bereits vor Monaten hat man das Projekt ‚Zurück in die 80er‘ mit einem spektakulären Coup gestartet – im September wurde der Mobilfunkempfang für das Valle Gran Rey gekappt. Informationszeitalter? Braucht keiner. Ging ja früher auch ohne. Und spart ganz viel Geld – vor allem der spanischen Telefonica, die Ihre Grundgebühren jetzt ohne Gegenleistung erheben darf.

Konsequent werden auch Randgruppen der Völkergemeinschaft im Valle integriert: Die Guardia Civil besinnt sich auf ihre Wurzeln aus der Franco-Zeit und unterstützt die Aktion mit liebevoll inszenierten folkloristischen Aktionen: Eine martialische Razzia zum Sunset vor der Casa Maria etwa: Taschenlampen ins Gesicht, Passkontrolle, Touristen müssen ihr frisch gekauftes Bier ausschütten (Alkohol im öffentlichen Raum ist verboten). Besonders geübt hat man dabei den richtigen Umgangston:  militärisch und arrogant muss es sein, damit sich bei den zahlenden Gästen auch wirklich dieses Kribbeln einstellt, wie man es ‚damals‘ unter Franco oder an der Grenze zur DDR so geschätzt hat.

Ist mal kein Gesetz zur Hand, kein Problem – unsere Jungs lassen sich immer etwas einfallen. Immer wieder ein Brüller: die Führerschein-Nummer. Europäische Führerscheine gelten europaweit? Fast. Nicht in diesem kleinen Kaff am A… der Welt. Per Verordnung ist das zwar auch für die Kanaren schon seit einigen Jahren geregelt, aber die Guardia Civil verteilt neuerdings wieder 500 Euro-Knöllchen für „nicht registrierte Führerscheine“. Erkundigt man sich irritiert bei der zentralen Verkehrspolizei in San Sebastian, trifft man dort auf prustende Beamte: „Noch so einer! Du bist aus Valle Gran Rey, was?!“

Ich freue mich schon auf das Valle in einigen Jahren.
Wenn die 80er-Jahre-Nummer durch ist, muss man sich wieder was Neues einfallen lassen, um im internationalen Geschäft mithalten zu können. Vielleicht die Zeit um 1900, als viele das Tal verlassen mussten um nicht zu verhungern.
Vielleicht die Conquista der spanischen Eroberer als reales Gesellschaftsspiel? Mit Leibeigenschaft und Folterung und so?