"Wenn man Reisebeschreibungen liest, hört sich alles so verlockend an. In Wahrheit ist Reisen etwas Entsetzliches.
Erst nachträglich, in der Erinnerung, kann man es genießen. Der Markusplatz ist erst schön, gereinigt von den brüllenden Touristen, den üblen Gerüchen und den eigenen schmerzenden Füßen.
Ich habe immer gefunden, dass der Phantasie die geringsten Anregungen genügen, um weitaus großartigere Bilder zuwege zu bringen als die Wirklichkeit. So sehe ich oft im Traum Landschaften, die mich zu Tränen rühren, was mir in Wirklichkeit noch nie widerfahren ist.
Also müssten eigentlich nur phantasielose Leute dazu fähig sein, eine Reise wirklich zu genießen, oder man müsste eine eiserne Konstitution und eine übermenschliche Konzentrationsfähigkeit besitzen, und ob es das gibt, kann ich wirklich nicht beurteilen."
Marlen Haushofer: Die Tapetentür, S. 83