über
das reisen
zurück
auf der insel nach zwei monaten, in denen ich wohl zu viel unterwegs
war. auf reisen, wie man sagt.
reisen:
für viele menschen steht dieser begriff für eine sehnsucht,
eine ahnung von ausweitung, für ein glücksversprechen.
fast jeder cubano, mit dem ich sprach, wünschte
sich, endlich reisen zu können: nach spanien, in
die usa, ... doch auch wir wohlhabenden mitteleuropäer
lieben das reisen. wie sonst ließe sich sonst erklären,
dass pünktlich zu den ferienzeiten die karawane aufbricht,
die autobahnen verstopft, die flughäfen überfüllt
sind.
reisen - das weckt innere bilder von exotischen landschaften,
von anderen welten, von wärme und weite, von abenteuern.
beim reisen, so die hoffnung, ändert sich aber nicht nur
das äußere, sondern auch wir selbst. jeder mallorca-urlauber
träumt sich in seiner vorfreude in ein anderes ich.
in ein ich, das viel lacht, das entspannt genießen
kann, das lebendiger, freier, vielleicht mutiger ist als das übliche
alltags-ich.
doch was
wird aus diesem glücksversprechen?
der größte
teil des reisens findet nicht in diesen glückszuständen
statt, sondern in ihrer vorbereitung.
da ist zunächst das prüfen von angeboten und terminen,
das buchen von flügen oder paketen, das organisieren von
urlaubsvertretungen, das zusammenstellen von einkaufslisten, das
packen. puh!
dann endlich ist der tag gekomen! man quetscht sich in ein viel
zu kleines auto und reiht sich ein in den stau. sitzt viele stunden
enger gepackt, als in jeder legalen legebatterie für hühner.
die luxusvariante fliegen heißt nichts anderes,
als sich mitten in der nacht zum flughafen zu quälen, sich
müde in lange schlangen einzureihen - am check-in, an der
handgepäckkontrolle, beim einsteigen in den flieger. immer
wieder warten, warten, warten. ein fließband: unpersönlich,
sachlich, mechanisch. im flieger dann sitzt man 4 oder 10 stunden
eingequetscht zwischen uninteressanten oder uninteressierten menschen,
streitet sich ein wenig um die belegung der mitteren armlehnen,
erhält ein geschmackloses plastikmenü unter mcdonalds-niveau.
am ankunftsort wieder: lange gänge, warten auf das gepäck,
warten auf den anschluss ...
wo bleibt
das glücksversprechen? in der gegenwärtigen form ist
dieses reisen nichts anderes als anstrengend, eine tortur,
für die man eigentlich gut bezahlt werden müsste, als
selbst dafür zu zahlen.
mit viel
glück entspricht das gebuchte hotel zumindest zu 60% den
versprechungen im katalog. dass es an einer vielbefahrenen straße
direkt neben einer baustelle liegt, dass licht oder dusche nicht
funktionieren, dass es etwas streng riecht ... das ist normal,
wird akzeptiert.
und dann?
dann geht es darum, in dieser industriellen produktion von reisen
die augen offen zu halten. irgendwo muss es doch warten, das kleine
postkarten- und katalog-glück, für das man so viele
mühen und kompromisse auf sich nimmt. irgendwo muss die übereinstimmung
zwischen erwartung/hoffnung und wirklichkeit doch geleistet werden
...
und wenn
nicht? dann muss man eben einige surrogate so bewerten, dass man
zuhause auf die unvermeidliche frage antworten kann:
"schön!"
ps:
merkt man, dass ich gerade die schnauze voll habe vom reisen?
zu viele flughäfen, hotels, busse, zu viel organisieren.
... ich kauf mir jetzt einen privatjet!