exkurs
: cuba : havanna riecht
havanna
riecht. das ist meine erste wahrnehmung jenseits der beim reisen
so üblichen aktionen, orientierungen und ängste. das
adrenalin steigt - die gesteigerte wachsamkeit in dieser unbekannten
situation, dieser fremden welt, öffnet alle sinne weit weit
weit.
havanna riecht also. nicht, dass der rest der welt nicht
riechen würde. auch nürnberg hat wohl einen
eigenen spezifischen geruch, el guro auch, sogar mainz.
doch deren spezielle zusammensetzung an duftmolekülen ist
mir so vertraut durch die vielen ankünfte, durch tausend
alltäglichkeiten, dass mein gehirn sich inzwischen weigert,
mir ihre existenz überhaupt mitzuteilen.
havanna: auf dem weg vom flughafen in die stadt ist es
vor allem der geruch nach diesel - fett und aufdringlich scheint
er sich auf die schweißnasse haut zu legen. im hotelzimmer:
die abgestandene feuchte schwüle der aircondition
mit einem charakteristischen hauch 'kakerlaken'. in den engen
straßen der altstadt dann ein unbeschreiblicher flashback:
eine nuance 'klo', verbunden mit 'staub', 'feuchten mauern', 'küche'
und ... 'alltag': "das ist ja ... südamerika!"
mehr als ein vierteljahrhundert ist diese erinnerung alt, eingeschlossen
in einem einzigartigen, markanten geruch. nur einige wenige dieser
charakteristischen moleküle genügen, um mein gehirn
zu einer wahren sturzflut zu veranlassen: längst vergessene
bilder erscheinen auf meinem inneren monitor, ganze videosequenzen.
ich erinnere mich an vorlieben ("das café an der
plaza de armas in cuzco"), bewertungen ("meine
abneigung gegen reis mit bohnen"), bedeutungen ("freiheit!").
eine komplette virtuelle realität, die sich über meine
wahrnehmung stülpt.
schade, dass
es der parfümindustrie bislang nicht gelungen ist, solche
komplexen ereignisse zu wecken. ich stelle mir vor, ich könnte
mir aus kleinen flacons den gerade jetzt passenden geruch aussuchen,
der mich in erinnerungswelten katapultiert. einmal schnüffeln
... und: "dieses unbeschreiblich weite gefühl von
freiheit" oder "warm, stark und zuversichtlich".
... aber nein: es ist gerade wichtig, sich solche welten nicht
einfach per duft oder pille zuigänglich zu machen. schließlich
ist es genau das, was drogen zu drogen macht, was menschen dazu
bringt, sich zweite wirklichkeiten und 'second lifes' zu schaffen:
wohlfühlen auf knopfdruck. doch weil jede droge stets nach
höherer dosierung schreit, sind auch diese erfahrungen nach
einiger zeit wieder am gefühlten nullpunkt. erfahrung ohne
wert.
dann lieber
so - danke, havanna !
___
nachtrag
von wolfgang aus bonn:
die
parfümindustrie schläft nicht: http://www.libraryoffragrance.de
danke
!