murakami
und
die seele
"Du
verstehst also auch nicht, was es mit der Seele auf sich hat?"
"Kommt ganz darauf an", sage ich, "Manchmal versteht
man erst lange Zeit später, was los war, und dann ist es
oft schon viel zu spät. Aber in den meisten Fällen müssen
wir tatsächlich Entscheidungen treffen, ohne unsere Seele
verstehen zu können, und das verwirrt jeden von uns."
"Die
Seele scheint eine ziemlich unvollkommene Angelegenheit zu sein",
sagt sie mit einem Lächeln.
Ich ziehe
meine Hände aus den Taschen und betrachte sie. Im Mondschein
sehen sie aus wie weiß getüncht, wie ein paar vollendete
Statuen, die ihren Platz auf dieser Welt verloren haben.
"Ja,
das scheint mir auch so. Sehr unvollkommen", sage ich. "Aber
sie hinterlässt Spuren. Und diesen Spuren können wir
folgen. Wie Fußabdrücken im Schnee."
"Und wohin führen sie?"
"Zu uns selbst" antworte ich. "So ist das mit der
Seele. Ohne sie führt nichts irgendwohin."
Haruki Murakami: Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt,
S. 216