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12. februar 2008

ich



"Was hatte ich denn eigentlich verloren? Ich kratzte mich nachdenklich am Kopf. Ich hatte, in der Tat, vieles verloren. Wenn ich alles haarklein aufschriebe, könnte ich wahrscheinlich einen ganzen Notizblock füllen. Ich hatte Dinge verloren, denen ich keine große Bedeutung beigemessen und deren Verlust mich erst später geschmerzt hatte - und umgekehrt. Ich hatte Dinge verloren, Menschen und Gefühle. Die Tasche des Mantels, der mein Leben war, hatte ein fatales Loch, das sich mit keiner Nadel und keinem Faden stopfen ließ. Gesetzt den Fall, jemand steckte den Kopf bei mir zum Fenster herein und schrie: "Dein Leben ist NULL!" - was könnte ich ihm schon entgegnen? Nichts absolut nichts.

Und doch, wollte mir scheinen, würde ich mein Leben, hätte ich es noch einmal zu führen, wieder auf dieselbe Weise leben. Denn dieses verlustreiche Leben war ich. Für mich gab es keinen anderen Weg, als ich selbst zu werden. Wie sehr ich die Leute oder die Leute mich missachteten, welch schöne Gefühle, überragende Qualitäten und Träume auch zerrinnen mochten, ich würde doch nie etwas anderes werden können als ich selbst.

Früher, als ich jünger war, hatte ich gedacht, vielleicht etwas anderes als ich selbst werden zu können. Hatte sogar gedacht, dass es keineswegs unmöglich wäre, in Casablanca eine Bar aufzumachen und Ingrid Bergmann kennen zu lernen. Oder realistischer - ob tatsächlich realistischer, sei dahingestellt - dass es möglich sein müsste, ein meinem ureigenen Ich angemesseneres, nützlicheres Leben zu führen. Auf dieses Ziel hin trainierte ich sogar, übte die Selbstrevolution. Ich las Die grüne Revolution und schaute mir dreimal Easy Rider an. Und doch kam ich , wie ein Boot mit verkantetem Ruder, immer wieder an dieselbe Stelle zurück. Zu meinem Ich. Mein Ich ging nirgendwohin. Es blieb, wo es war und wartete, dass ich zurückkäme.

Wie nennt man das? Verzweiflung?

Ich weiß es nicht. Vielleicht. Turgenjew würde es wahrscheinlich Desillusionierung nennen. Dostojewski würde es als Hölle bezeichnen. Und Somerset Maugham als Realität. Doch wer immer welchen Namen dafür findet, es ist mein Ich."

Haruki Murakami: Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt, S. 425

 

 
 
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