"Wenn du begreifst, dass du, ohne zu leiden, leben kannst,
dann ist damit ein großer Schritt getan - aber glaube
ja nicht, dass jemand anders dich verstehen wird.
Nein, niemand leidet gern, und dennoch suchen alle den Schmerz,
das Opfer, und fühlen sich damit gerechtfertigt, fühlen
sich rein, glauben, damit die Anerkennung ihrer Kinder, Ehemänner
und Ehefrauen, Nachbarn und auch von Gott zu verdienen. Wir
wollen jetzt nicht weiter darüber nachdenken, du musst
nur wissen, dass das, was die Welt bewegt, nicht die Suche
nach Lust ist, sondern der Verzicht auf alles, was wichtig
ist.
Zieht
der Soldat in den Krieg, um den Feind zu töten? Nein:
Er wird für sein Land sterben. Zeigt die Frau ihrem
Mann gern, dass sie zufrieden ist? Nein: Sie möchte,
dass er sieht, wie sie sich für ihn abplagt, um ihn
glücklich zu machen. Geht der Mann zur Arbeit, weil
er glaubt, sich darin selber zu verwirklichen? Nein: Er
rackert sich ab für seine Familie. Und so weiter: Kinder,
die auf ihre Träume verzichten, um den Eltern eine
Freude zu machen, Eltern, die auf ihr Leben verzichten,
um den Kindern eine Freude zu machen -
Schmerz
und Leid werden so zu Beweisen für etwas, was allein
Freude bringen sollte: Liebe."
Paulo
Coelho: Elf Minuten, S. 215