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13. mai 2006

die patera

patera vor teneriffa

ruhige see zwischen gomera und teneriffa. das diffuse morgenlicht und die salzverkrusteten fenster des garajonay exprés lassen nur langsam die kontraste zwischen meer und himmel erkennen. verschlafene pendler dösen vor sich hin, einige touristen lassen ihren zu ende gehenden urlaub revue passieren, die schulklasse aus retamal freut sich lautstark auf den ausflug auf die große nachbarinsel. ... plötzlich stoppen die motoren, wir verlieren deutlich an fahrt. unruhe macht sich unter den passagieren breit, auch bei mir: "jetzt bloß keinen motorschaden, sonst verpasse ich noch meinen flieger!" die unruhe wächst, als das boot langsam wieder fahrt aufnimmt und den kurs ändert: wir fahren im kreis! warum? wohin?

unscharf hinter dem trüben fenster erscheint plötzlich ganz nah ein kleines boot mit außenbordmotor. fischer? aber warum sind auf dem kaum 12 m langen kahn dann 30 oder mehr menschen? und warum stehen sie alle und sehen zu uns herüber? dann höre ich den begriff: "patera!" und mir wird klar: das sind keine fischer, sondern flüchtlinge.

vor vier oder mehr tagen sind sie mit ihrer nusschale, der "patera", weit im süden von der küste mauretaniens in see gestochen, haben dabei mehrere hundert seemeilen hinter sich gebracht. und damit auch - so ihre hoffnung - not, elend, bürgerkriege in mali, nigeria oder dem senegal. nun, in der dämmerung sehen sie endlich das ziel ihrer reise und ihrer wünsche vor sich: teneriffa, die kanarischen inseln, europa, das gelobte land.

rund 5.000 flüchtlinge sind in diesem jahr bereits auf den kanaren gelandet, mehr als im ganzen letzten jahr. und das, obwohl ihre bedingungen immer schwieriger werden:
zunächst hat spanien die exklaven melilla und ceuta gegenüber von gibraltar praktisch abgeriegelt, so dass der flüchtlingsstrom sich in den süden marokkos - direkt gegenüber von lanzarote und fuerteventura verlagerte. durch abkommen spaniens mit der marokkanischen regierung wurde auch dieser weg abgeriegelt: hochmoderne patroillenboote kontrollieren nun die küsten und lassen die erfolgschancen der flüchtlinge auf null sinken.

nun also mauretanien: viel weiter im süden, schwieriger gegen die vorherrschende nordströmung. doch das scheint nicht wirklich abzuschrecken: 12.000 flüchtlinge sollen an mauretaniens küste schon jetzt auf ihre chance warten - auf schleuser, die ihnen für 1.000 euro den weg ins wunderland europa versprechen und sie in wackligen nussschalen aufs offene meer schicken. mehr als 1.000 flüchtlinge, so schätzt das rote kreuz, sind allein in diesem jahr bei ihrer reise ertrunken oder verdurstet.

wie geht es weiter? natürlich wird spanien für viel geld ein weiteres abkommen mit mauretaniens regierung schließen. doch solange die europäische union keinen weg findet, die lebensbedingungen im nördlichen afrika zu verbessern, wird der zuwanderungsdruck auf die festung europa zunehmen.

und die flüchtlinge vor mir? die garajonay exprés umkreist sie langsam. einmal, zweimal, dreimal. als dann das schnellboot der marine ankommt, fahren wir weiter. die flüchtlinge werden wohl in den hafen geleitet, dort ärztlich untersucht und anschließend in ein auffanglager gebracht. nach spätestens 40 tagen, so die regelung, wird ein teil von ihnen als illegale in spanien auf freien fuß gesetzt. sie sind ihrem ziel nun sehr nahe. andere werden zurück geschickt nach marokko oder mauretanien. was dort mit ihnen geschieht, ist nur noch in der verantwortung der jeweiligen regierung, die für jeden zurück geschickten ein kopfgeld erhält.

"nicht mehr unser problem", denken viele canarios, spanier und europäer ... und sind dankbar dafür, dass das bild unscharf bleibt ... wir müssen ja unseren flug noch erwischen !

 

siehe auch: festung europa

 

 
 
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