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28. märz 2006

o bálsamo da desilusão

am wasserfall - barranco de arure

seit jahren nicht mehr hat hat mich ein buch so in seinen bann gezogen wie dieses: nachtzug nach lissabon von pascal mercier. ein auszug als leseempfehlung:

O BÁLSAMO DA DESILUSAO. DER BALSAM DER ENTTÄUSCHUNG. Enttäuschung gilt als Übel. Ein unbedachtes Vorurteil. Wodurch, wenn nicht durch Entäuschung, sollten wir entdecken, was wir erwartet und erhofft haben? Und worin, wenn nicht in dieser Entdeckung, sollte Selbsterkenntnis liegen? Wie also sollte einer ohne Enttäuschung Klarheit über sich selbst gewinnen können?

Wir sollten Enttäuschungen nicht seufzend erleiden als etwas, ohne das unser Leben besser wäre. Wir sollten sie aufsuchen, ihnen nachspüren, sie sammeln. Warum bin ich enttäuscht, dass die angebeteten Schauspieler meiner Jugend jetzt alle Zeichen des Alters und des Verfalls tragen? Was lehrt mich die Enttäuschung darüber, wie wenig Erfolg wert ist? Manch einer braucht ein Leben lang, um sich die Enttäuschung über seine Eltern einzugestehen. Was haben wir denn von ihnen eigentlich erwartet? ...

Einer, der wirklich wissen möchte, wer er ist, müsste ein ruheloser, fanatischer Sammler von Enttäuschungen sein, und das Aufsuchen enttäuschender Erfahrungen müsste ihm wie eine Sucht sein, die alles bestimmende Sucht seines Lebens, denn ihm stünde mit großer Klarheit vor Augen, dass sie nicht ein zerstörerisches heißes Gift ist, die Enttäuschung, sondern ein kühler, beruhigender Balsam, der uns die Augen öffnet über die wahren Konturen unserer selbst.

Und es dürfte ihm nicht nur um Enttäuschungen gehen, welche die Anderen oder die Umstände betreffen. Wenn man Enttäuschung als Leitfaden hin zu sich selbst entdeckt hat, wird man begierig sein zu erfahren, wie sehr man über sich selbst enttäuscht ist: über fehlenden Mut und mangelnde Wahrhaftigkeit etwa, oder über die schrecklich engen Grenzen, die dem eigenen Fühlen, Tun und Sagen gezogen sind. Was war es denn, was wir von uns erwartet und erhofft hatten? Dass wir grenzenlos wären, oder doch ganz anders, als wir sind?

Es könnte einer die Hoffnung haben, dass er durch das Vermindern von Erwartungen wirklicher würde, auf einen harten, verlässlichen Kern schrumpft und damit gefeit wäre gegen den Schmerz der Enttäuschung. Doch wie wäre es, ein Leben zu führen, das sich jede ausgreifende, unbescheidene Erwartung verböte, ein Leben, in dem es nur noch banale Erwartungen gäbe wie die, dass der Bus kommt?

S. 262
 

 
 
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