playa abalo
"Tourismus:
Die Seuche, die sich über sich selbst beklagt. Das Beste
aus einem Stück Fremde herausholen, bis nichts mehr davon
übrig bleibt. Für immer die Hand darauf legen, womöglich
ein Stück davon für sich haben wollen, um damit für
sich zu sein. Der weiße Traum an der einsamen Bucht mit
der deutschen Adresse am schmiedeeisernen Tor: alle träumen
ihn und jeder, der ihn wahrmacht, wünscht sich daß
darüber alles bleibt, wie es ist: unberührt, paradiesisch
wie am ersten Tag. Gibt es lächerliche, verschrobenere Träume?
Gibt es etwas Verlogeneres als jene alten Zweithaus-Sylter, die
sich über die Lawine beklagen, die sie losgetreten haben?
Wegsein, um endlich einmal bei sich zu sein: Was sagt das über
den Zustand der Heimat aus, daß wir aus ihr flüchten?
Was haben wir mit ihr angerichtet? Und was für Demütigungen
lassen wir hier zu, daß wir ein Zuhause nur noch draußen
finden können.
Und was für Demütigungen bürden wir denen auf,
deren Land wir zu unserem Zuhause machen? Mit unserem Geld, mit
dem wir jungen Mädchen Arbeit als Putzfrauen geben. Mit unserem
anbiedernden Entzücken über deren vermeintlich wahres
Leben. Und unseren Attraktionen, mit denen wir sie und uns verrücktmachen:
den starken Wagen und den Clippern, den Unterwasserausrüstungen,
Kameras, Jagdspeeren, Surfbrettern, Motorbooten, Barbecue-Grills
und Wasser-Skis, diesem ganzen Besteck unserer Heimatlosigkeit?"
Hermann Peter Piwitt: Deutschland. Versuch einer Heimkehr,
1983