ökonomie und oxytocin
vertrauen in andere menschen zu haben, ist nicht nur eine persönliche
vorliebe, sondern erfolgsstrategie - sie glauben es nicht?
klassische wirtschaftstheorie basiert auf der annahme, dass menschen
bestrebt sind, ihren nutzen zu maximieren – und zwar individuell,
ohne also die auswirkungen ihres handelns auf andere in ihren
entscheidungen zu berücksichtigen. der homo oeconomicus:
habgierig, egoistisch, isoliert – ein homo lupus,
ein wolf.
wer dieses spiel gegeneinander am besten beherrscht, vielleicht
auch noch ein wenig betrügt, profitiert am meisten. wer dagegen
auf solidarität und vertrauen setzt, ist weniger erfolgreich.
auf dieser annahme basieren nicht nur wissenschaftliche theoriemodelle,
sie ist zugleich grundlage vieler wirtschaftspolitischer spielregeln.
umso spannender,
was wissenschaftler erfahren, wenn sie sich diesen fragestellungen
nicht nur theoretisch, sondern experimentell und empirisch nähern.
(psychologie
heute, mai 2004, s.70) neuroökonomie ist
ein wissenschaftszweig, der sich mit physiologischen und psychologischen
grundlagen ökonomischen handelns beschäftigt.
„glauben
sie, dass man fremden generell vertrauen kann?“ fragten
forscher tausende von menschen in 41 ländern. ihr ergebnis:
länder, in denen sich menschen gegenseitig vertrauen (wie
norwegen mit 65%, schweden mit 60% oder deutschland mit 41%),
sind wirtschaftlich erfolgreicher, als länder mit wenig vertrauen
(brasilien 3%, peru 5%). „wo die menschen wenig einander
vertrauen, wird auch wenig investiert“.
diese makroökonomische
bedeutung von vertrauen lässt sich auch im experiment belegen.
in einem spiel erhält spieler 1 zehn euro. er kann
nun einem teil davon einen ihm völlig fremden und anonymen
spieler 2 schenken. in diesem fall verdreifacht sich
der betrag. spieler 2 entscheidet dann, ob er davon spieler
1 etwas zurück schickt oder alles behält.
was
tun?
-
risiko vermeiden: geht spieler 1 auf nummer sicher,
behält er seine 10 euro.
-
risiko eingehen, vertrauen haben: verschenkt spieler 1 alles,
läuft er gefahr, alles zu verlieren, hat aber auch die
chance, am ende weit mehr als 10 euro zu haben.
-
egoismus: spieler 2 kann das gesamte geschenk behalten
und so seinen nutzen maximieren (so wie es die klassische wirtschaftstheorie
lehrt).
in den experimenten
zeigte sich, dass immerhin mehr als die hälfte der spieler
1 einen teil ihres einsatzes in das risikoreiche spiel investierte.
viel wichtiger aber: drei viertel der spieler 2 bedankten
sich, indem sie einen nennenswerten teil des geldes zurückschenkten,
so dass beide spieler profitierten.
während
dieses spiels zeigte sich, dass bei den vertrauenswürdigen
spielern der spiegel des hormons oxytocin signifikant
anstieg. dieses hormon wird z.b. auch von jungen müttern,
in partnerschaften und familien verstärkt produziert –
im zusammenhang mit allen sozialen aktionen wie sex, berührung
oder einem persönlichen gespräch.
zeigte dagegen
spieler 1 misstrauen, indem er nur sehr wenig investierte,
reagierte spieler 2 (wenn es sich dabei um einen mann
handelte) mit verstärktem ausstoß von testosteron,
dem männlichen geschlechtshormon, das auch bei kampf, rivalität
und abwehr aktiviert wird.
nur das wahrgenommene misstrauen anderer aktiviert also den egoisten
in uns.
was lernen
wir daraus?
-
vertrauen
funktioniert - ein teil der menschen ist gerade deshalb besonders
erfolgreich, weil er nicht auf misstrauen und konkurrenz setzt,
sondern auf kooperation.
-
kooperationsbereitschaft
ist kein gesellschaftlich gesetzter zwang zur kontrolle des
homo lupus, sondern eine biologisch verankerte erfolgsstrategie.
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