barranco
de cabra
drei stunden
können sehr intensiv sein - auch beim wandern. barranco
de cabra heißt eine schlucht in der nähe meines
hauses. und obwohl ich nun schon fast zwei jahre hier lebe, habe
ich sie noch nie erkundet. gibt es nicht doch begehbare wege?
vielleicht sogar bis auf den berg? heute also: volle bergausrüstung
und los.
zunächst
bietet sich die schlucht ganz freundlich an: im ausgetrockneten
flussbett steige ich über große steine stetig bergan,
vorbei an palmen und den letzten terrassen. die geräusche
des tales bleiben zurück, nur gelegentlich zieht eine schwalbe
an mir vorbei, schreit eine ziege. jede minute ein neuer blick,
ein neues ahhh! weit über mir sehe ich den grat von la
merica - unerreichbar jenseits von steilen basaltwänden.
je höher
ich steige, desto enger, steiler wird die schlucht. bizarre höhlen
in den lava-bergen. aus dem gemütlichen wandern wird zunehmend
ein klettern. ich beginne, an den rückweg zu denken und präge
mir markante steine für den besten weg ein: von oben sieht
jeder weg anders aus.
schließlich
stehe ich vor einer steilen wand - im winter ein mächtiger
wasserfall. ich muss das flussbett verlassen und begehbare umwege
suchen. es gibt sie, doch sie führen über lose geröllfelder,
die bei jedem schritt nachgeben und steine jeder größe
zehn oder zwanzig meter tief ins tal schicken. hoch über
mir sehe ich immer wieder ziegen an der steilen wand entlang springen.
selbst diese extremkletterer scheinen vor jedem schritt und sprung
zu überlegen.
wolken ziehen
auf, ein kalter wind pfeift durch das tal. nach einer stunde klettern
bin ich erschöpft. der schweiß tropft, der zuckerspiegel
sinkt, die knie zittern: pause mit blick über das tal.
"das
ist einfach nur fahrlässig und dumm!" ruft eine
stimme in mir, "du setzt so viel auf's spiel! die abstiege
auf diesen rutschigen geröllfeldern sind richtig gefährlich.
wenn du dir hier nur den knöchel verstauchst, kommst du nicht
mehr raus, nicht mal mit dem hubschrauber! und keiner weiß,
dass du hier bist. was willst du dir beweisen?"
"ach, halt doch die klappe", hält die
andere stimme dagegen. "ist mir schon je etwas schlimmes
dabei passiert? ich gehe langsam, ich bin gut ausgerüstet
und ich habe viel viel zeit! wenn ich immer nur die sicheren wege
gehe, lerne ich nie wirklich neues kennen."
ich muss
grinsen - die beiden stimmen kommen mir bekannt vor, es sind alte
bekannte, sie beschäftigen mich nicht nur beim wandern.
was
tun? ich erkenne die positiven absichten jeder stimme und lasse
sie miteinander verhandeln. sie schließen einen kompromiss:
wir (denn wir sind ja nun zu dritt) gehen bis zur nächsten
ecke und entscheiden dann, ob wir weiter gehen: wenn es genauso
unwirtlich weiter geht, kehren wir um, wenn es deutlich einfacher
wird, gehen wir weiter.
als wir aufbrechen,
werden die wolken dichter, der wind stärker. die nächste
ecke ist nicht weit. sie offenbart einen wunderschönen blick:
eine steil eingeschnittene schlucht, einige palmen, höhlen
- aber leider so steil, dass die erste stimme in mir hörbar
aufatmet und die zweite stimme überzeugt zustimmt: "umkehren!"
nach einer
stunde sind wir wieder wohlbehalten am ausgang der schlucht -
rundum zufrieden, denn wir haben neues entdeckt und uns dennoch
an unseren grenzen orientiert.
danke, ihr
beiden!