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11. märz 2003


mutig

"Der Staatsdienst muß zum Nutzen derer geführt werden, die ihm anvertraut werden,
nicht zum Nutzen derer, denen er anvertraut ist."
Marcus Tullius Cicero

doch die clique um cowboy bush bereitet weiter ihren (!) krieg vor - nahezu isoliert gegen die vereinten nationen, gegen ihre wichtigesten partner, gegen weite teile der amerikanischen öffentlichkeit.
der umgangston wird härter, jahrlelange us-freunde, die zum abwägen und nachdenken raten, werden als verräter beschimpft. verbündeten staaten werden 'ernste konsequenzen' angedroht, wenn sie die us-politik behindern.

nicht alle menschen sind offenbar bereit, ihr wertsystem der hysterie zu opfern.
aktuelles beispiel: der us-diplomat john brady kiesling - aus protest gegen den kurs der us-regierung bat er vor wenigen tagen um seine entlassung aus dem dienst.

sein von der washington post veröffentlichter brief an us-außenminister colin powell ist eine anklage. so schrieb er: "die politik, die wir nun vertreten sollen, ist nicht nur unvereinbar mit den amerikanischen werten, sondern auch mit den amerikanischen interessen". der irak-kurs werde instabilität und gefahr, nicht sicherheit bescheren.

hier der brief im volltext - in deutscher und englischer sprache.


Offener Brief des US-Diplomaten John Kiesling an Colin Powell

Sehr geehrter Herr Außenminister, hiermit erkläre ich meinen Rücktritt vom diplomatischen Dienst der Vereinigten Staaten und von meinem Amt als politischer Berater in der amerikanischen Botschaft in Athen. Es ist ein Schritt, der mir sehr schwer fällt.

Bis zur Amtsübernahme der gegenwärtigen Regierung glaubte ich daran, dass ich mit der Politik des Präsidenten auch die Interessen des amerikanischen Volks vertrat. Daran glaube ich nicht mehr.

Unsere Politik ist nicht nur unvereinbar mit amerikanischen Werten, sondern auch mit amerikanischen Interessen. Mit unserem unermüdlichen Drängen auf einen Krieg gegen den Irak verspielen wir die internationale Reputation, die seit Woodrow Wilson Amerikas wirksamste Waffe war. Wir sind dabei, das weitreichendste und effektivste Netzwerk internationaler Beziehungen zu zerstören, das es je gab. Unser Kurs wird zu mehr Instabilität und Gefahr führen, nicht zu mehr Sicherheit.

Die Opferung globaler zugunsten innenpolitischer Interessen ist nicht neu und sicherlich kein spezifisch amerikanisches Problem. Dennoch: Seit dem Vietnamkrieg gab es keine so systematische Verzerrung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse, keine so systematische Manipulation der öffentlichen Meinung mehr.

Die Tragödie vom 11. September hat uns stärker denn je gemacht. Eine riesige internationale Allianz stand uns zur Seite, um mit uns gegen den Terrorismus vorzugehen. Doch statt darauf zu bauen, machte die Regierung den Terrorismus zum Werkzeug der Innenpolitik. Wir haben Verunsicherung und übertriebene Furcht in das kollektive Bewusstsein gepflanzt, indem wir Terrorismus und Irak, zwei Probleme, die nichts miteinander zu tun haben, verknüpften. Das Ergebnis, vielleicht auch das Ziel dieser Politik ist eine Umschichtung des schrumpfenden Staatsvermögens zugunsten des Militärhaushalts und die Erosion jener Mechanismen, die die Bürger vor der harten Hand des Staates schützen. Der 11. September hat das Gewebe der amerikanischen Gesellschaft weniger stark beschädigt als wir selbst in dessen Folge. Sollen wir uns wirklich das Russland der Romanows zum Vorbild nehmen, ein egoistisches, abergläubisches Regime, das im Namen eines gefährdeten Status Quo der Selbstzerstörung entgegen jagte?

Wir sollten uns fragen, warum es uns nicht gelungen ist, die Welt davon zu überzeugen, dass ein Krieg gegen den Irak notwendig ist. Nach welchem Vorbild wollen wir den Mittleren Osten wiederaufbauen? Sind wir wirklich taub geworden, so wie Russland in Tschetschenien und Israel in den besetzten Gebieten – taub für unseren eigenen Rat, dass überwältigende militärische Macht nicht die Antwort auf Terrorismus sein kann?

Wir haben noch immer viele Freunde. Ihre Loyalität ist beeindruckend, sie ist ein Tribut an das moralische Kapital, das Amerika ein Jahrhundert lang gesammelt hat. Doch Loyalität beruht auf Gegenseitigkeit. Warum duldet unser Präsident die Verächtlichkeit, die einige der höchstrangigen Mitglieder dieser Regierung unseren Freunden gegenüber an den Tag legen? Ist „oderint dum metuant“ unser Motto geworden?

Ich appelliere an Sie, Amerikas Freunden zuzuhören. Wenn unsere Freunde mehr Angst vor uns als um uns haben, wird es Zeit, dass wir uns Sorgen machen. Wer wird sie davon überzeugen, dass die Vereinigten Staaten auch weiterhin ein Verfechter von Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit sind?

Herr Minister, ich habe größten Respekt für Ihren Charakter und Ihre Fähigkeiten. Sie haben uns mehr internationale Glaubwürdigkeit gesichert, als unsere Politik verdient. Aber Ihre Treue zum Präsidenten geht zu weit. Ich trete zurück, weil ich es mit meinem Gewissen nicht länger vereinbaren kann, diese Regierung zu vertreten. Ich bin aber zuversichtlich, dass der demokratische Prozess Fehler selbst korrigiert,und hoffe, in Zukunft von außen zu einer Politik beitragen zu können, die der Sicherheit und dem Wohlstand des amerikanischen Volkes und der Welt eher dient.


U.S. Diplomat's Letter of Resignation

The following is the text of John Brady Kiesling's letter of resignation to Secretary of State Colin L. Powell. Mr. Kiesling is a career diplomat who has served in United States embassies from Tel Aviv to Casablanca to Yerevan.

Dear Mr. Secretary:
I am writing you to submit my resignation from the Foreign Service of the United States and from my position as Political Counselor in U.S. Embassy Athens, effective March 7. I do so with a heavy heart. The baggage of my upbringing included a felt obligation to give something back to my country. Service as a U.S. diplomat was a dream job. I was paid to understand foreign languages and cultures, to seek out diplomats, politicians, scholars and journalists, and to persuade them that U.S. interests and theirs fundamentally coincided. My faith in my country and its values was the most powerful weapon in my diplomatic arsenal.

It is inevitable that during twenty years with the State Department I would become more sophisticated and cynical about the narrow and selfish bureaucratic motives that sometimes shaped our policies. Human nature is what it is, and I was rewarded and promoted for understanding human nature. But until this Administration it had been possible to believe that by upholding the policies of my president I was also upholding the interests of the American people and the world. I believe it no longer.

The policies we are now asked to advance are incompatible not only with American values but also with American interests. Our fervent pursuit of war with Iraq is driving us to squander the international legitimacy that has been America's most potent weapon of both offense and defense since the days of Woodrow Wilson. We have begun to dismantle the largest and most effective web of international relationships the world has ever known. Our current course will bring instability and danger, not security.

The sacrifice of global interests to domestic politics and to bureaucratic self-interest is nothing new, and it is certainly not a uniquely American problem. Still, we have not seen such systematic distortion of intelligence, such systematic manipulation of American opinion, since the war in Vietnam. The September 11 tragedy left us stronger than before, rallying around us a vast international coalition to cooperate for the first time in a systematic way against the threat of terrorism. But rather than take credit for those successes and build on them, this Administration has chosen to make terrorism a domestic political tool, enlisting a scattered and largely defeated Al Qaeda as its bureaucratic ally. We spread disproportionate terror and confusion in the public mind, arbitrarily linking the unrelated problems of terrorism and Iraq. The result, and perhaps the motive, is to justify a vast misallocation of shrinking public wealth to the military and to weaken the safeguards that protect American citizens from the heavy hand of government. September 11 did not do as much damage to the fabric of American society as we seem determined to so to ourselves. Is the Russia of the late Romanovs really our model, a selfish, superstitious empire thrashing toward self-destruction in the name of a doomed status quo?

We should ask ourselves why we have failed to persuade more of the world that a war with Iraq is necessary. We have over the past two years done too much to assert to our world partners that narrow and mercenary U.S. interests override the cherished values of our partners. Even where our aims were not in question, our consistency is at issue. The model of Afghanistan is little comfort to allies wondering on what basis we plan to rebuild the Middle East, and in whose image and interests. Have we indeed become blind, as Russia is blind in Chechnya, as Israel is blind in the Occupied Territories, to our own advice, that overwhelming military power is not the answer to terrorism? After the shambles of post-war Iraq joins the shambles in Grozny and Ramallah, it will be a brave foreigner who forms ranks with Micronesia to follow where we lead.

We have a coalition still, a good one. The loyalty of many of our friends is impressive, a tribute to American moral capital built up over a century. But our closest allies are persuaded less that war is justified than that it would be perilous to allow the U.S. to drift into complete solipsism. Loyalty should be reciprocal. Why does our President condone the swaggering and contemptuous approach to our friends and allies this Administration is fostering, including among its most senior officials. Has 'oderint dum metuant' really become our motto?

I urge you to listen to America's friends around the world. Even here in Greece, purported hotbed of European anti-Americanism, we have more and closer friends than the American newspaper reader can possibly imagine. Even when they complain about American arrogance, Greeks know that the world is a difficult and dangerous place, and they want a strong international system, with the U.S. and EU in close partnership. When our friends are afraid of us rather than for us, it is time to worry. And now they are afraid. Who will tell them convincingly that the United States is as it was, a beacon of liberty, security, and justice for the planet?

Mr. Secretary, I have enormous respect for your character and ability. You have preserved more international credibility for us than our policy deserves, and salvaged something positive from the excesses of an ideological and self-serving Administration. But your loyalty to the President goes too far. We are straining beyond its limits an international system we built with such toil and treasure, a web of laws, treaties, organizations, and shared values that sets limits on our foes far more effectively than it ever constrained America's ability to defend its interests.

I am resigning because I have tried and failed to reconcile my conscience with my ability to represent the current U.S. Administration. I have confidence that our democratic process is ultimately self-correcting, and hope that in a small way I can contribute from outside to shaping policies that better serve the security and prosperity of the American people and the world we share.

 

quelle: http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/Irak/kiesling.html

 

 
 
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