multioptionsgesellschaft
als ich diesen
begriff zum ersten mal las, musste ich ganz genau hinschauen,
musste das gelesene sogar mit den lippen nachformen, bis schließlich
der sinn, die bedeutung im gehirn ankam und als "ungefähr
verstanden" registriert wurde.
offenbar reduziert nicht nur mein zunehmendes alter, sondern auch
mein dauerhaftes inselleben die fähigkeit, komplexe sachverhalte
schnell aufzunehmen und zu verarbeiten. ich werde langsamer, brauche
mehr zeit als früher. ich ertappe mich dabei, wie ich dankbar
bin für die begrenzte zahl an wahlmöglichkeiten: 2 strände,
2 discos, 3 cafés, 3 kneipen, 4 gute restaurants. das leben
ist einfach, komplexe entscheidungen mit einer vielzahl von parametern
sind kaum zu treffen.
"gomera macht blöd !" ist eine etwas einfachere
umschreibung dieses sachverhaltes.
zunächst war ich beunruhigt über diese entwicklung.
schließlich bin ich nach wie vor ein freund klarer strukturierung
und effizienten arbeitens. und schließlich habe ich vor,
irgendwann nach alemania und in die dortigen arbeitsstrukturen
zurückzukehren. dort ist es wichtig, aus einer vielzahl von
fakten die relevanten zu identifizieren, zu gewichten, schnell
entscheidungen zu treffen. ein verblödeter insulaner aber
hat auf dem deutschen arbeitsmarkt wohl nur recht bescheidene
chancen.
ein artikel in der aktuellen psychologie
heute (märz 2003) hat mich ein wenig beruhigt und
bestätigt mich in meiner neigung zu einem beschränkten
inselleben.
amerikanische forscher, so der beitrag, studierten menschen in
entscheidungs-situationen. ihr ergebnis: gerade menschen, die
sich bemühen, eine wahl durch umfangreiches sammeln von informationen
und rationales abwägen möglichst profund und objektiv
zu treffen, sind tendenziell unzufrieden. "Der Zweifel nagt,
ob sich nicht doch noch etwas Besseres hätte finden können."
diese 'maximierer' der 'multioptionsgesellschaft'
sind nicht ganz zufällig identisch mit den eher unglücklichen
und depressiven - vor allem im vergleich mit den 'genügsamen'.
denen genügt es, dass sie eine passende entscheidung treffen,
wenn auch nicht unbedingt die beste.
eine weitere aussage der studie: eine große auswahl an alternativen
bedeutet, dass sich nicht jedes angebot prüfen lässt.
und umso stärker dadurch das gefühl, sich falsch entschieden
zu haben.
wie sagte schon sokrates so treffend: "wie zahlreich sind
doch die dinge, deren ich nicht bedarf!"
haben wir es gut!
das leben
kann so einfach sein:
lust auf nightlife? o.k. - ein kurzer blick zu keith, dann
in die cacatua, schließlich gegenüber in die
tasca. alles geprüft - entscheidung getroffen. passt.
disco? pub ajul ab mitternacht, playa-disco ab 2.00
uhr. alles klar !
dass das ganze nach vier caipirinhas mit dümmlichem
grinsen und einem dicken kopf endet, hat dann nix mit entscheidungstheorie
und sokrates zu tun, sondern alleine mit netten menschen und der
dankbarkeit, in einem so beschränkten universum leben zu
dürfen.
salud !