powerwork
"der typ schläft bis mittags, liegt den rest des tages am
strand, arbeitet nichts, spielt allerhöchstens mit seinem notebook
rum!"
entspricht das dem bild, das diese website bei manchem erzeugt? immer
wieder lese oder höre ich einen leicht aggressiven unterton aus den
mails und gesprächen.
vielleicht hilft es ja, auch mal eine andere seite dieses lebens zu sehen:
acht tage frankfurt liegen hinter mir: online-berichterstattung über
den evangelischen kirchentag für den hessischen rundfunk und
zugleich ausbildungsprojekt für ard-redakteure: www.hr-kirchentag.de.
sieben
uhr dreißig: nur unwillig öffne ich die augen, taste nach dem
wecker, drücke den snooze-knopf. dem erfinder dieser taste würde
ich gerne mal ein bier ausgeben - sie schenkt mir den lebensnotwendigen
aufschub von fünf minuten bis zum nächsten klingeln. langsam
taste ich mich an diesen tag heran. die augen tun weh, der ganze körper
liegt bleischwer im bett - vier stunden schlaf sind einfach zu wenig.
zuviel kaffee, zuviel geraucht. straßenlärm von draußen,
hochhäuser, der himmel zeigt ein undefinierbares grau.
ich mag diese business-hotels nicht. wären sie einfach nur funktional,
wäre es o.k. der versuch aber, etwas ähnliches wie stil
zu bieten, scheitert fast immer. diese unsäglichen kunstlederhüllen
mit goldprägung, die 14 broschüren über hotel, stadt,
telefonbedienung, minibar-inhalt und die umwerfenden sonderangebote für
senioren mit 18 kindern. jeden tag schiebe ich sie unwillig zur seite,
jeden tag richtet sie der zimmerservice wieder so sorgfältig aus.
jeden tag nehme ich mir vor, sie einfach als paket wegzuwerfen, traue
mich dann aber doch nicht.
joggen? keine lust in diesem baustellenviertel. außerdem bin ich
platt. mtv einschalten. morgengymnastik mit unwirschem gesichtsausdruck.
erst die kalte dusche bringt etwas wie leben in mich. mist: schon wieder
zu spät für ein ausgedehntes frühstück. schnell, schnell.
und hoffentlich spricht mich vor der ersten zigarette niemand an!
vom taxi aus sehe ich die kirchentagsbesucher zur messe strömen.
unverkennbar: lila bändchen, der überzeugte gesichtsausdruck
von gutmenschen. und immer wieder die plakate mit dem motto der
veranstaltung, das mir so viel sagt: du stellst meine füße
auf weiten raum.
neun uhr zwanzig: schulungszentrum des hessischen rundfunks. der
raum voll mit monitoren, arbeitspapieren, wandtafeln - ein organisiertes
chaos. fast alle sind schon da: die producer des hr, teilnehmer
aus der ganzen ard, meine trainer-kollegen. regelmäßiges
klappern der tastaturen: die nachrichten-schicht hat schon die ersten
news zur abnahme bereit. alles o.k. nach einer tasse cappuccino und den
ersten flapsigen sprüchen kommt die lust wieder.
redaktionskonferenz. struktur schaffen, das team einstimmen, themen auswählen,
technische probleme diskutieren. kleine konflikte lösen, einnorden,
beiträge konzipieren und abnehmen, entscheidungen treffen, immer
wieder zeitdruck, immer präsent sein.
halb drei : mittagspause, 20 minuten rückzug ins bistro. weiter:
konferieren, moderieren, mich zurückhalten, zusammenführen,
vermitteln, referieren, organisieren. kurze persönliche gespräche
unter rauchern auf dem tristen flur. weiter. seiten erstellen, bilder
bearbeiten, audios einlinken.
erstaunlich, wie
gut alle mitmachen. alle sind übermüdet, alle sind am limit,
doch kaum einer bricht ein, kaum einer muss sein ego übermäßig
betonen. im gegenteil: jeder unterstützt den anderen, bringt spezialwissen
ein. viel schokolade. ein team. klasse.
innehalten? keine zeit. ich laufe wie eine maschine, beobachte und reagiere.
würde ich diesen fluss jetzt unterbrechen, ich würde einbrechen.
durchhalten. je länger der tag dauert, desto rauer wird der ton.
einzelne kränkungen, kurze diskussionen. weiter, weiter, weiter.
pizzaservice um zehn: unzumutbar. weiter, weiter, weiter.
weit nach mitternacht: sprachlos mit dem taxi zurück ins hotel. fenster
aufreißen, den bröseligen keks vom kopfkissen wischen, ruhige
musik einlegen, der versuch einer meditation. zu müde. traumloser
schlaf.
am vorletzten tag erst sind wir richtig gut. alles läuft. ein blick
auf das angebot: professionell. kompetente hintergründe,
lebendige reportagen,
intensive foto-galerien,
augenzwinkernde satiren,
neue video-formate.
wir sind stolz: unser baby !!!!
acht tage leben
im irgendwo. kein seelenleben. keine fragen, nur aufgaben. erschöpft
setze ich mich schließlich in den zug, setze den kopfhörer
auf, schließe die augen und suche wieder den kontakt zur welt.
ja, es war gut !
danke !