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22. dezember

die wahrheit

melanie hat mich dazu überredet, nun doch endlich mit der wahrheit herauszurücken:

in wahrheit - und um die geht es schließlich! - sitze ich seit oktober in einem schmuddeligen kellerloch, abstellraum, tiefparterre 4. hinterhof in gostenhof, nürnberg. im raum neben mir dröhnt ohne unterlass ein generator, der gestank der abfalltonnen im hof ist unerträglich.

ich friere. am boden bilden sich immer wieder wasserpfützen, tropfen aus den heizungsrohren an der decke. ein paar mal waren sie morgens schon gefroren. morgens? ich weiß ja nicht, ob gerade tag oder nacht ist - der raum hat kein fenster. ab und zu höre ich stimmen, und dann muss es wohl tag sein. ich weiß es nicht.

stimmen: manchmal glaube ich, jemanden rufen zu hören. irgendwo in der nähe und dennoch weit entfernt. vielleicht bin ich hier unten nicht allein, vielleicht gibt es noch andere menschen in diesem keller. vielleicht. ein paar mal hab ich zurück gerufen, aber dann verstummten die rufe sofort.

manchmal klappert es vor meiner tür. dann weiß ich, dass mein essen kommt: eine kleine schüssel mit etwas, was wohl einmal gemüse oder suppe war, wird duch die klappe geschoben. ich esse gerne - es ist der einzige rhythmus meiner tage hier unten.

um nicht wahnsinnig zu werden, habe ich mir eine aufgabe gesetzt: 'mygomera'.
eine fixe idee, ich weiß. aber mein einziger halt. tag und nacht bin ich damit beschäftigt, gomera-ähnliche fotos im netz zu finden, möglichst geistreiche texte zu formulieren, die ich euch dann als impressionen aus dem paradies verkaufe. als e-mails, als website aus dem besseren leben.

gomera - wie diese fiktion wohl wirklich aussieht? gibt es diese intensive luft, das grelle blau des himmels, die unendlich weiten sternennächte denn tatsächlich? sind die berge wirklich so hoch, die wellen so stark, der wald so grün? gibt es dort wirklich lächelnde oder sogar lachende menschen?

oder ist es vielmehr so:
ein schmutziges, graues, vergessenes nest am rande der zivilisation. einige marode fabriken für giftige chemikalien. der himmel: immer grau und schwer mit dicken wolken beladen. abfallberge ringsum, missmutige und unfreundliche menschen, die jeden kontakt mit fremden vermeiden....

mein traum im keller.
meine fixe idee.
irgendwann werde ich es wissen.
irgendwann werde ich nach gomera fahren.
wirklich.

warum ich in diesem keller bin, warum ich hier bleibe? warum denn nicht?
es gibt schlimmeres - und so habe ich ein ruhiges leben, genug zu essen, eine aufgabe, kommunikation.
warum also sollte ich das ändern?
...
warum?

 

(ach ja: es regnet wieder mal..... )