die wahrheit
melanie hat mich dazu überredet, nun doch endlich mit der wahrheit herauszurücken: in wahrheit - und um die geht es schließlich! - sitze ich seit oktober in einem schmuddeligen kellerloch, abstellraum, tiefparterre 4. hinterhof in gostenhof, nürnberg. im raum neben mir dröhnt ohne unterlass ein generator, der gestank der abfalltonnen im hof ist unerträglich. ich friere. am boden bilden sich immer wieder wasserpfützen, tropfen aus den heizungsrohren an der decke. ein paar mal waren sie morgens schon gefroren. morgens? ich weiß ja nicht, ob gerade tag oder nacht ist - der raum hat kein fenster. ab und zu höre ich stimmen, und dann muss es wohl tag sein. ich weiß es nicht. stimmen: manchmal glaube ich, jemanden rufen zu hören. irgendwo in der nähe und dennoch weit entfernt. vielleicht bin ich hier unten nicht allein, vielleicht gibt es noch andere menschen in diesem keller. vielleicht. ein paar mal hab ich zurück gerufen, aber dann verstummten die rufe sofort. manchmal klappert es vor meiner tür. dann weiß ich, dass mein essen kommt: eine kleine schüssel mit etwas, was wohl einmal gemüse oder suppe war, wird duch die klappe geschoben. ich esse gerne - es ist der einzige rhythmus meiner tage hier unten. um nicht wahnsinnig
zu werden, habe ich mir eine aufgabe gesetzt: 'mygomera'. gomera - wie diese fiktion wohl wirklich aussieht? gibt es diese intensive luft, das grelle blau des himmels, die unendlich weiten sternennächte denn tatsächlich? sind die berge wirklich so hoch, die wellen so stark, der wald so grün? gibt es dort wirklich lächelnde oder sogar lachende menschen? oder ist es vielmehr
so: mein traum im keller. warum ich in diesem
keller bin, warum ich hier bleibe? warum denn nicht?
(ach ja: es regnet wieder mal..... )
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